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Offener Brief der Umweltverbände an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)

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Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Naturschutzbund NABU, die Coordination gegen BAYER-Gefahren und das Pestizid Aktions-Netzwerk haben heute in einem Brief an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gefordert, bienengefährliche Pestizide vom Markt zu nehmen.

An den Leiter des
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)
Dr. Helmut Tschiersky-Schöneburg
Bundesallee 50, Gebäude 247

38116 Braunschweig

Sehr geehrter Herr Dr. Tschiersky-Schöneburg,

das BVL hat am 15. Mai die Zulassung der Saatgutbehandlungsmittel Clothianidin, Imidacloprid, Thiamethoxam und Methiocarb ausgesetzt. Grund hierfür war das massive Bienensterben am Oberrhein, das durch Clothianidin-Vergiftungen ausgelöst wurde. In der Zwischenzeit wurde die Zulassung von Clothianidin auch in Italien und Slowenien entzogen.

Schon am 25. Juni wurde die Zulassung dieser Mittel für die Behandlung von Raps-Saatgut  jedoch wieder in Kraft gesetzt. Durch die Wieder-Zulassung droht die fortgesetzte Vergiftung von Bienen und Wildinsekten.

Wir fordern Sie daher auf, die genannten Wirkstoffe endgültig vom Markt zu nehmen.


Ebenso wie der Deutsche Berufsimkerbund (DBIB) fordern wir zudem eine Offenlegung aller Studien, die bei der Zulassung dieser Pestizide eingereicht wurden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die von der Firma Bayer, dem Hersteller von Clothianidin und Imidacloprid, durchgeführten Untersuchungen derart angelegt wurden, dass die Bienengefährlichkeit der Wirkstoffe möglichst gering erschien und Pestizid-Rückstände in behandelten Pflanzen verharmlost wurden.

Insbesondere bitten wir Sie darzulegen, ob die folgenden Unterlagen im Zulassungsprozess eingereicht und geprüft wurden:

1.      Das Bienensterben vom Mai 2008 wurde durch Abrieb von Clothianidin beim Ausbringen von Mais-Saaatgut verursacht. Die Studie Risk of environmental contamination by the active ingredient imidacloprid used for corn seed dressing der Universität Udine kam bereits im Jahr 2003 zu dem Ergebnis, dass ein solcher Abrieb regelmäßig beobachtet wird und eine Gefahr für Bienen darstellt (Zitat: “corn sowing must be considered a potentially dangerous operation in terms of general environmental pollution. It is possible that the spread of the active ingredient in the environment during sowing operations could cause serious damage in bee colonies”). Dr. Richard Schmuck von Bayer CropScience räumte bei einem Expertengespräch des baden-württembergischen Landwirtschaftsministeriums am 8. Mai ein, dass bei der Aussaat von Mais mit einem Abrieb von Clothianidin von 2g/Hektar zu rechnen sei.

2.      Die Folgestudie der Universität Udine aus dem Jahr 2006 (Presence of imidacloprid on vegetation near corn fields sown with Gaucho® dressed seeds) zeigt, dass sich der Wirkstoff im Boden anreichern und Insekten gefährden kann (Zitat: “The investigation showed that Gaucho dressed corn seeds during sowing operations can release imidacloprid into the environment, and therefore bees and wild pollinator insects could be exposed to the insecticide molecule. Plants could accumulate the active ingredient released during different sowing operations in the same area and become polluted for a time depending on the length of the sowing period. The same problem could be extended to other pesticides, at present or in the future, used in seed dressing”).

3.      Die Studie Effects of imidacloprid administered in sub-lethal doses on honey bees’ (Apis mellifera L.) behaviour des italienischen Instituts für Bienenkunde in Bologna belegt, dass auch geringe, sub-lethale Vergiftungen zu einer Beeinträchtigung des Orientierungssinns von Bienen führen, wodurch die Ernährung des gesamten Bienenvolks gefährdet wird („Imidacloprid had a negative effect on honey bee mobility” und weiter: “We therefore believe that bees, accidentally intoxicated in a field with imidacloprid, could find difficulties in returning to the hive, thus depriving the colony of foragers and harming the entire colony”).

4.      Französische Behörden entzogen Imidacloprid 1999 (auf Sonnenblumen) bzw. 2003 (auf Mais) die Zulassung. Eine Zulassung für Clothianidin wurde wegen der Anreicherung im Boden und der Gefahr für Bienen gar nicht erst erteilt. Im Auftrag des französischen Landwirtschaftsministerium erstellte das Comité Scientifique et Technique (CST) im Jahr 2003 einen 221-seitigen Untersuchungsbericht. Darin wird festgestellt, dass die Verwendung von Imidacloprid für den Tod Hunderttausender Bienenvölker in Frankreich mitverantwortlich ist. U.a. heißt es: „Die Untersuchungsergebnisse zu den Risiken des Saatgutbehandlungsmittels Gaucho (Wirkstoff: Imidacloprid) sind beunruhigend. In Bezug auf Bienensterblichkeit und Orientierungsstörungen von Bienen stimmen die Ergebnisse der Studie mit den Beobachtungen zahlreicher Imker in Regionen intensiver Landwirtschaft (Mais- und Sonnenblumenanbau) überein. Die Saatgutbehandlung mit Gaucho stellt ein signifikantes Risiko für Bienen in verschiedenen Altersstufen dar.“
Und weiter: „Was die Behandlung von Mais-Saat mit Gaucho betrifft, so sind die Ergebnisse ebenso besorgniserregend wie bei Sonnenblumen. Der Verzehr von belasteten Pollen kann zu einer erhöhten Sterblichkeit von Pflegebienen führen, wodurch das anhaltende Bienensterben auch nach dem Verbot der Anwendung auf Sonnenblumen erklärt werden kann“.

5.      Die französische Studie Quantification of Imidacloprid Uptake in Maize Crops aus dem Jahr 2005 zeigt, dass sich Neonicotinoide über Jahre hinweg im Boden anreichern und in Pflanzen wie Mais und Sonnenblumen nachgewiesen werden können. Durch die Aufnahme von belastetem Pollen werden die Bienenvölker schleichend vergiftet. Dies führe zu einer Schwächung der Völker und einer höheren Anfälligkeit für Krankheiten und Parasiten. Hierin sei einer der Gründe der Bienensterben seit Mitte der 90er Jahre zu sehen (Zitat: “It appears that imidacloprid levels measured in maize pollen is one of the major factors contributing to the weakening of bee colonies. Together with the imidacloprid levels found previously in pollen and nectar of other crops, as well as results for other competitor insecticides, our data support the hypothesis that systemic insecticides are largely involved in the depopulation of European honeybees since the mid 1990s”).

6.      Der US-Bundesstaat New York verweigerte dem Wirkstoff Clothianidin am 17. Juni 2007 eine Zulassung. Das New York State Department of Environmental Conservation bemängelte die Langlebigkeit des Stoffs, weswegen eine Anreicherung im Boden drohe („could accumulate in soils from year to year with repeated uses“). Außerdem befürchtet die Behörde eine Verunreinigung des Grundwassers („Clothianidin could lead to widespread groundwater contamination, but no groundwater monitoring studies have been conducted to date“).

7.      Die kanadische Zulassungsbehörde Pest Management Regulatory Agency (PMRA) veröffentlichte am 21. Juni 2004 eine Stellungnahme zum Antrag der Bayer AG auf Zulassung von Clothianidin. Die PMRA bezeichnet die von Bayer eingereichten Studien als mangelhaft („deficient“), weswegen eine Gefährdung von Bienen befürchtet werde. Besonders hervorgehoben wurde die mehrjährige Verweildauer des Giftstoffs im Boden („All of the field/semi-field studies, however, were found to be deficient in design and conduct of the studies. Given the foregoing, the risk that clothianidin seed treatment may pose to honey bees and other pollinators cannot be fully assessed, owing to the lack of sufficient information and data. Clothianidin may pose a risk to honey bees and other pollinators, if exposure occurs via pollen and nectar of crop plants grown from treated seeds”).

Wir haben kein Verständnis dafür, wenn für Herrn Dr Hans-Gerd Nolting, Abteilungsleiter im BVL im Bereich Pflanzenschutz, ein „öffentliches Interesse an Herausgabe der Zulassungs-Unterlagen derzeit nicht erkennbar ist“ (Schreiben vom 22. August).
Wann, wenn nicht nach dem größten Schadensfall der vergangenen Jahre, soll ein solches Interesse bestehen?

Das Bienensterben im Frühjahr stellt keinen „Betriebsunfall“ dar. Nur mit einem Verbot der Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid, Thiamethoxam und Methiocarb können die Bienen langfristig geschützt werden.

Mit freundlichen Grüßen,

Philipp Mimkes, Coordination gegen BAYER-Gefahren, Postfach 150418, 40081 Düsseldorf, CBGnetwork (at) aol.com

Dr. Brigitte Dahlbender, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg e.V., Paulinenstraße 47, 70178 Stuttgart

Florian Schöne, Naturschutzbund Deutschland (NABU), Charitéstr. 3, D - 10117 Berlin

Susan Haffmans, Pestizid Aktions-Netzwerk, Nernstweg 32, D-22765 Hamburg  

Weiterführende Informationen  ^ (Unterschriftenaktion)

 

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