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Blutkrebs bei Kindern in der Umgebung von Kernkraftwerken gehäuft

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Aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes sind sofortige Maßnahmen zwingend. Der vdää fordert die verantwortlichen Politiker auf, gemeinsam mit den Betreibern über eine schnellst mögliche Abschaltung aller Atomkraftwerke zu verhandeln.

Eine Studie von Forschern der Universität Mainz im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz unter der Leitung der Mainzer Epidemiologin Maria Blettner sorgt für eine Debatte um die gesundheitlichen Risiken der friedlichen Nutzung der Atomenergie. Die Forscher hatten festgestellt, dass zwischen 1980 und 2003 im Umkreis von fünf Kilometern um die Reaktoren 77 Kinder an Krebs, davon 37 an Leukämie, erkrankt waren. Im statistischen Durchschnitt seien 48 Krebs- beziehungsweise 17 Leukämiefälle zu erwarten gewesen. Etwa 20 Neuerkrankungen seien also allein auf das Wohnen in diesem Umkreis zurückzuführen. "Unsere Studie hat bestätigt, dass in Deutschland ein Zusammenhang zwischen der Nähe der Wohnung zum nächstgelegenen Kernkraftwerk zum Zeitpunkt der Diagnose und dem Risiko, vor dem fünften Geburtstag an Krebs (beziehungsweise Leukämie) zu erkranken, beobachtet wird".

Im Klartext:
Die Zahl krebskranker Kinder steigt, je dichter ihr Wohnort an einem der 16 deutschen Reaktorstandorte liegt. Dieser Zusammenhang sei "statistisch signifikant", heißt es in der Studie.

Eine Erklärung für die auffällig vielen Erkrankungen kann die Studie dem Bericht zufolge aber nicht geben. Die Strahlenmenge in unmittelbarer Nähe von Kernkraftwerken reiche bei weitem nicht aus, um vermehrte Krebserkrankungen auszulösen - andere Erklärungen hätten jedoch auch nicht gefunden werden können. Ob Störfaktoren, Selektion oder Zufall bei dem beobachteten Abstandstrend eine Rolle spielten, "kann mit dieser Studie nicht abschließend geklärt werden", heißt es.

Die Durchsicht der Arbeit zeigt aber, dass für akute lymphatische Leukämien, die am ehesten mit radioaktiver Strahlung in Verbindung gebracht werden, genau das Gegenteil der Fall ist. Die Fallzahl für lymphatische Leukämien ist im Nahbereich der Atomanlagen signifikant um den Faktor 3,4 erhöht. Der Zusammenhang ist also augenscheinlich.

In der Öffentlichkeit taucht immer wieder das Argument auf, die natürliche – terrestrische und kosmische – Strahlenbelastung sei höher als die aus Atomkraftwerken freigesetzte, ein Zusammenhang der Leukämien mit den Atomkraftwerke somit also auszuschließen. Diese Argumentation ist scheinbar plausibel, bei näherer Betrachtung aber irreführend. Über folgende Feststellungen herrscht in der Wissenschaft Einigkeit:

    * Ionisierende Strahlung schädigt lebende Zellen, sei es in Form von elektromagnetischen Wellen (Betastrahlung) oder Alphateilchen (Alphastrahlung).

    * Bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie (Atomkraftwerke) wird ionisierende Strahlung auch außerhalb des Kraftwerkkomplexes freigesetzt.

    * Im Gegensatz zur natürlichen Strahlung werden bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie Radionuklide über das Kühlwasser über Abgase und über den Personenverkehr vom und zum Kraftwerk an die Umgebung abgegeben.

Die Zahl dieser freiwerdenden Isotope beträgt etwa 280, von denen nur ein geringer Teil in bundesdeutschen Kraftwerken deklariert und gemessen wird. Zu ihnen gehören relativ kurzlebige, wie der Betastrahler Jod 131 mit einer Halbwertszeit von acht Tagen oder der langlebige Alphastrahler Plutonium 239 mit einer Halbwertszeit von 24.000 Jahren.

Die Gefahr dieser künstlichen radioaktiven Spaltprodukte geht vor allem von ihrer Anreicherung in den menschlichen Organen aus. Diese gelangen in Form gasförmiger und/oder flüssiger Effluate in die Biosphäre und kontaminieren Luft, Boden und Wasser. Dort werden sie von Mikroorganismen und Pflanzen aufgenommen und erfahren ihre erste Anreicherung in der biozyklischen Kette. Bei der Futteraufnahme werden diese im biozyklischen Material akkumulierten Spaltprodukte in höheren Pflanzen und vor allem aber auch in Tieren inkorporiert und erfahren dabei oft eine weitere Anreicherung (Fisch, Getreide, Wild, Weidevieh).

Durch Nahrungsaufnahme gelangen diese radioaktiven Spaltprodukte in den menschlichen Organismus. Aber auch im menschlichen Organismus werden Radionuklide unterschiedlich stark in einzelnen Organen angereichert. Am bekanntesten ist Strontium 90. Wegen seiner Ähnlichkeit mit dem vor allem in Knochen und Zähnen vorkommenden Calcium wird es insbesondere in diesen Organen angereichert, und Jod 131, das zu 90-98 % in die Schilddrüse geleitet wird. Auch wenn diese Isotope von kurzer Lebensdauer sind oder ihre Strahlung nur eine Reichweite von wenigen Millimetern oder Zentimetern hat, ist ihre Gefährlichkeit besonders groß, da die gefährdeten und sensiblen Zellanteile sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu diesen Stoffen befinden (Gefahr der Mutation von Körper- und Keimzellen).

Schon daraus wird ersichtlich, wie gering der Aussagewert der Messungen von Strahlungsaktivität in der Umgebung von Kernkraftwerken ist. Die Messung von Alpha- und weicher Betastrahlung beim Durchgang in Nahrungsketten und bei Ansammlung in kritischen Organen kann nicht durchgeführt werden, wäre aber entscheidend für die Risikoabschätzung der betroffenen Bevölkerung.

Kinder sind besonders gefährdet

Bei der Abwägung des gesundheitsgefährdenden Risikos einer auch noch so geringen Strahlung ist vor allem die unterschiedliche Strahlensensibilität einzelner menschlicher Entwicklungsphasen zu berücksichtigen. Untersuchungen ergaben, dass der Fötus der höchsten Strahlengefährdung ausgesetzt ist. Die Zunahme der Krebssterblichkeitsrate beträgt pro rad im Mutterleib 50 %, bei Kindern im Alter von 6-10 Jahren 8 % und bei Erwachsenen ab 61 Jahren weniger als 0,25 %.

Einen weiteren wesentlichen Unterschied zu anderen Umweltschädlichkeiten besteht in dem zeitlich nahezu unbegrenzten Risiko für die Bevölkerung durch die Verseuchung von Luft, Wasser und Erde durch radioaktive Isotope mit langer Halbwertszeit.

Es besteht kein Zweifel daran, dass die Blutkrebserkrankungen von Kindern mit der Nähe zu AKW zunehmen. Aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes muss schnell und umfassend gehandelt werden. Der beschlossene Atomausstieg ist deshalb zu beschleunigen. Ein Abwarten auf wissenschaftliche Erkenntnisse ist nicht zu verantworten.

Der vdää fordert die verantwortlichen Politiker auf, gemeinsam mit den Betreibern über eine schnellst mögliche Abschaltung aller Atomkraftwerke zu verhandeln.

Dr. Winfried Beck
(Mitglied des Vorstandes)
Tel 0173 – 312 5533
Mail: dr-winfried-beck (at) web.de
 

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