Insektenmittel machen Kinder dumm

Mittwoch, den 27. April 2011 um 00:00 Uhr Redaktion
Drucken

Forscher entdecken Langzeit-Folgen nach Kontakt im Mutterleib / Insektizide verursachen Schäden im Gehirn

Gängige Insektenmittel können die Intelligenz von Kindern herabsetzen, da sie in die Gehirnentwicklung eingreifen. Darauf lässt eine Reihe von unabhängigen Forschungen schließen, die in der Zeitschrift "Environmental Health Perspectives" veröffentlicht [*] wurden. Auf mehrfache Weise konnten US-Forscher zeigen, dass bereits der Kontakt einer schwangeren Mutter mit der Chemikalie Chlorpyrifos dazu führen kann, dass das Kind bei Schuleintritt Rückstande in der kognitiven Entwicklung hat.

Schädigung der Kindernerven

Das Organophosphat Chlorpyrifos ist ein Kontakt-, Fraß- und Atemgift, das Insekten über deren Nerven angreift und sie dadurch tötet. Es wird vor allem gegen Bodenschädlinge sowie gegen saugende oder beißende Insekten eingesetzt, jedoch auch etwa gegen Ameisen, Hausfliegen, Kleidermotten, Moskitos oder als Stallspritzmittel. "Im konventionellen Obst-, Wein- und Gemüsebau findet sich die Chemikalie überall dort, wo Insekten ein Problem sind", erklärt der Agrartechniker Kurt Stockinger vom Pestizidreduktions-Programm bei Global 2000 [1] gegenüber pressetext.

In den ländlichen Regionen ist der Kontakt mit Chlorpyrifos besonders hoch - wie Forscher in einer Obst- und Gemüsebauregion nahe San Francisco gezeigt haben. Doch auch Stadtbewohner bleiben nicht verschont, was in den USA besonders bis 2001 zutraf, als der Haushalts-Einsatz von Chlorpyrifos gegen Ungeziefer verboten wurde. Forscher der Columbia-Universität [2] untersuchten Kinder aus New Yorker Altbauten, die vor der Geburt mit Chlorpyrifos in Kontakt kamen, wie die Nabelschnurblut-Untersuchung ergab. Bei Schuleintritt war ihr Intelligenzquotient um 5,3 Punkte niedriger, wobei besonders das Arbeitsgedächtnis beeinträchtigt war.

Jeder Dritte kann Gift nicht abbauen

Auf dasselbe Ergebnis kommen Forscher aus Berkeley [3]. Sie beobachteten Kinder werdender Mütter, in deren Urin man Abbauprodukte von Organophosphaten entdeckt hatte. Im Alter von sieben Jahren verzeichneten die Kinder einen um sieben Punkte schlechteren IQ als Alterskollegen - auch nachdem man den Einfluss von Erziehung, Einkommen oder anderen Umweltgifte weggerechnet hatte. Gene entscheiden, ob Organophosphate die Hirnentwicklung schädigen, berichten Wissenschaftler der University of North Carolina [4]. Jeder dritte US-Amerikaner kann Organophosphate aufgrund eines fehlenden Enzyms nicht abbauen.

Andere Studien, die im Vorjahr in der Zeitschrift "Pediatrics" veröffentlicht wurden, zeigten bereits deutliche Zusammenhänge von Organophosphaten mit dem vermehrten Auftreten des ADHS-Syndroms im Jugendalter. "Organophosphate greifen die Nerven-Reizleitung an, können jedoch auch hormonell wirken, das Erbgut schädigen oder Krebs auslösen. Viele der langfristigen Auswirkungen auf den Menschen wurden noch gar nicht untersucht", so Global 2000-Experte Stockinger. Über das Risiko für den Menschen hinaus sei zudem eine lange Reihe von Schädigungen der Umwelt bekannt.

Bio und saisonal kaufen schützt

Das Waschen von Obst oder Gemüse vor dem Verzehr entfernt Pestizide nur bedingt, da man Schädlinge teils damit bekämpft, dass die Pflanzen das Gegenmittel im Saft aufnehmen. "Optimal ist der Kauf von biologischen Produkten. Heimisches Obst ist meist geringer belastet, kauft man jedoch Obst außerhalb der Saison, so sind die Belastungswerte ähnlich wie bei importierten. Besonders problematisch ist dies bei empfindlichen, schwer lagerbaren Produkten wie etwa Glashaussalat im Winter. Da das Gemüse durch fehlende Wärme und Sonne schwächer ist, braucht es deutlich mehr Fungizide", warnt Stockinger. Johannes Pernsteiner

[1] http://www.prp.global2000.at/
[2] http://www.cumc.columbia.edu/dept/mailman/ccceh/
[3] http://www.epa.gov/ncer/childrenscenters/berkeley.html
[4] http://www.sph.unc.edu
[*] Links zu den vollständigen Studien (unter dem Artikel):
http://switchboard.nrdc.org/blogs/jsass/three_new_science_studies_conf.html

Quelle: pte