„Vergiftet im Flug“ - Politiker & Zivilcourage

Mittwoch, den 29. September 2010 um 00:00 Uhr Aida Infante
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„Kontaminierte Kabinenluft -> Die Gefahr“… aus EU- Komission und mancher Politikersicht kein Grund zum Handeln

Nicht so für die Fraktion der BÜNDNIS 90/Die Grünen: In der Drucksache 17/2916, des Deutsches Bundestages - 17. Wahlperiode 13. 09. 2010 ist am 17. September 2010, eine erneute Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu lesen.

(Wer Wesentliches und Mehr zu diesem Thema und aus erster Hand erfahren mag, ein Tipp: Besuchen Sie dieses Event: Langenborner Gesundheitstage vom 22. - 24. Oktober 2010 in Schöllkrippen)

"Die Zuständigkeiten des Luftfahrt-Bundesamtes in Fällen von kontaminierter Kabinenluft" (Kl. Anfrage der Abgeordneten Markus Tressel, W infried Hermann, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl, Undine Kurth(Quedlinburg), Ingrid Nestle, Friedrich Ostendorff, Dorothea Steiner, Daniela Wagner und Dr. Valerie Wilms.

Am 29. Juni 2010 stellte bereits Michael Cramer, als Mitglied des Europäischen Parlamentes und Sprecher der Grünen, im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr (TRAN), an die Europäische Kommission eine schriftliche Anfrage (E-3044/10) zu dem Thema: „Gesundheitsgefährdung durch Zapfluft in Flugzeugkabinen.“

Hierauf ist auf seiner Internetseite zu lesen [1]:

„Die Europäische Kommission schiebt auf meine Nachfrage hin den Mitgliedsstaaten die Schuld am Nicht-Einhalten der EU-Gesundheitsstandards zu. „Immer mehr Stewardessen und Piloten klagen über kontaminierte Kabinenluft in Flugzeugen und die für sie daraus folgenden Gesundheitsrisiken. Seit Jahren ist bekannt, dass sich in der Kabinenluft Chemikalien befinden, die krebserregend sind und ungefiltert in die Kabine gelangen. Aber weder die Mitgliedsstaaten noch die Europäische Kommission fühlen sich verantwortlich, ihre eigenen Gesundheitsstandards für Arbeitnehmer ordnungsgemäß sicherzustellen.

Hier nun die eher nicht den Tatsachen entsprechenden und weniger ernstzunehmenden Antworten des EU-Verkehrskommissars Siim Kallas  an Michael Cramer, dem Sprecher der Grünen:

Der Abgeordnete Cramer möchte von der Europäischen Kommission zu Anfang wissen, ob der Kommission bekannt ist, dass die Atemluft in den Flugzeugen direkt am Triebwerk eingeschleust wird und anschließend ungefiltert in die Bordkabine gelangt.

Er erbittet von der Kommission auch eine Bewertung der Tatsache, dass bei dem oben genannten Lüftungsverfahren ohne Filter giftige Öldämpfe, wie z.B. Beta-Naphtylamin und Trikresylphosphat ins Flugzeuginnere gelangen.

Nachdem er festhält, dass „inzwischen medizinisch bestätigt“ ist, dass die „Chemikalien Beta-Naphtylamin und Trikresylphosphat die menschliche Gesundheit stark schädigen (krebserregend) und das sogenannte Aerotoxische Syndrom auslösen können“, zeigt sich seine Verwunderung darüber, dass dennoch „die sogenannte Zapfluft für das Belüftungssystem in Flugzeugen unverändert seit den Fünfziger Jahren direkt beim Triebwerk entnommen“ wird. Hierzu erfragt er: „Was sieht die Kommission vor, um dieses Gesundheitsrisiko für Passagiere und Bordpersonal abzuwenden?“

Auf die Verantwortungsposition der Kommission eingehend, möchte Herr Cramer ebenfalls wissen, ob die Kommission das Lüftungsverfahren ohne Filter überprüfen und gegebenenfalls untersagen bzw. ersetzen wird. Er fragt dazu an: „Ist die Kommission der Auffassung, dass dieses Lüftungsverfahren ohne Filter den Standards des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in der Europäischen Union widerspricht?“

Wie innovativ, politisch korrekt, adequat kompetent und überraschend wäre eine Zusage seitens des EU-Verkehrskommissars Siim Kallas (für die Kommission) für mehr Präventionsmaßnahmen, sowie  Arbeitnehmer-, und Passagierschutz gewesen? Wer damit rechnet, kann kaum von den seit Jahrzehnten zu beobachtenden Beschwichtigungsmethoden wissen. Hierzu jedoch im Verlauf mehr.

Die völlig inakzeptable Antwort (E-3044/10DE des Herrn Kallas „im Namen der Kommission“ vom 11. Juni 2010) [2] als Auszug, möchte ich unseren Lesern ebenfalls nicht vorenthalten:
Auszüge: „Der Kommission ist die vom Herrn Abgeordneten angesprochene Gefahr der Kontamination von Kabinenluft sowie der möglichen Auswirkungen auf Sicherheit und Gesundheit bekannt.“

Kommentar: Die überdurchschnittliche Schadstoffbelastung von Flugpersonal- und Passagieren wird seit rund 50 Jahren weltweit und ausreichend objektiviert und dokumentiert. Passagiere und Flugzeugbesatzung erkranken regelmäßig, weltweit und in ausreichender Form und Reproduzierbarkeit, um seit vielen Jahren ein Eingreifen seitens der Politiker, Vorgesetzten und Hersteller nicht nur zu legitimieren, sondern auch erwarten zu können.

Die folgenden Antworten (Auszüge) entsprechen demnach zwar nicht dem politischen, wissenschaftlichen, toxikologischen und umweltmedizinischem Wissensstand, eignen sich aber durchaus „für Laien, Unaufgeklärte und Ignoranten“ als rhetorisch gute Vorlage für Begründungen, um weiterhin den Schadstofferkrankenden im Flugbetrieb, keinen Raum für ein gesünderes Fliegen zu ermöglichen. Hierin heißt es:
•    „Die Ergebnisse der bisher durchgeführten wissenschaftlichen Studien konnten noch nicht auf endgültige und stichhaltige Weise belegen, dass für Flugbesatzung und Passagiere tatsächlich ein Gesundheitsrisiko besteht.
•     Darüber hinaus scheinen entsprechende Vorfälle mit seltenen Störungen in der Klimaanlage in Zusammenhang zu stehen.
•    Der Kommission ist bekannt, dass einige betroffene Betreiber Abhilfemaßnahmen ergriffen haben, um diese Störungen zu beheben.“


Hiernach frage ich mich ernsthaft: Welche effektiven Maßnahmen dürften gemeint sein? Warten wir es ab, wann konkret eine saubere und ausreichend gefilterte Kabinenluft zur Normalität gehören wird. Heißt das etwa, dass dann auch mit den Pestizidsprühungen (Werft und vor Landungen wie z.B.: in Indien) im Innenraum aufgehört werden soll? Es bleibt spannend. Schließlich scheint die Rechtslage und Verantwortungsverteilung, laut Herrn Kallas (Mitglied der europäischen Kommission), auch in Bezug auf die Arbeitnehmerfürsorgepflicht, theoretisch zumindest kein offenes Thema zu sein: 

•    „Auf EU-Ebene obliegt es den Mitgliedstaaten, die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 89/391/EWG über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit sowie der Richtlinien 98/24/EG über chemische Arbeitsstoffe und 2004/37/EG über Karzinogene und Mutagene durchzusetzen. Gemäß diesen Richtlinien sind Arbeitgeber allgemein verpflichtet, die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer in allen arbeitsbezogenen Aspekten zu gewährleisten.“

Diese oder ähnliche Floskeln verfolgen viele von uns schadstoffgeschädigten „Ex“- Fliegern leider seit Jahrzehnten und könnten es aus dem Mangel an überfälliger Umsetzung sicherlich auch als politische Ablenkungsmanöver bewerten. Welche Studien gilt es zu verfolgen, wenn ganze Hallen schon mit beweisenden Studienergebnissen, aus aller Welt, tapeziert werden könnten:

•    „Um die Sicherheit und Gesundheit sowohl von Flugbesatzung als auch Passagieren zu schützen, wird die Kommission in Zusammenarbeit mit der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) und der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) auch in Zukunft den Verlauf aktueller Forschungsprojekte verfolgen und die Ergebnisse der wissenschaftlichen Studien in diesem Zusammenhang eingehend prüfen.“

Sollten die "Absichten" so beherzigt werden, wie in den vergangenen Jahrzehnten, werden vermutlich weiterhin erschreckend viele Monate und Jahre ins Land gehen und es wird außer leerer Versprechungen wohl kaum Lösungsbringendes zu lesen sein - erst recht keine Ergebnisse unbefangener Studien. Hierfür halten die Airlines und Hersteller strategisch klug bisher geschickt die finanzspritzenden Hände auf und finanzieren ihnen wohlgesonnene Universitätsmediziner (Studien & Methodik & Universitäten bekannt).

Die versprochenen Studien werden zwar durchgeführt (Airlinegesponsert), aber die Hoffnung auf Objekitivität kann demnach eher als blinder Optimismus gewertet werden. 

Vermutlich werden also weiterhin zahlreiche Flüge stattfinden, nach denen Passagiere und Crewmitglieder mit „Befindlichkeitsstörungen“, um nicht zu sagen mit schwersten Symptomen, bis hin zu Lähmungserscheinungen, die unmissverständlich auch als Vergiftungssymptome objektiviert werden könnten, aussteigen werden.

Diese schadstoffgeschädigten Menschen werden vermeintlich auch weiterhin nach Hause fahren, ihre Ärzte mit resignierender Fragestellung aufsuchen, sich in eine nach der anderen Klinik einweisen lassen, sich erzählen lassen, dass sie sich das Alles nur einbilden können und aufgrund dieser geballten Ladung an Ungerechtigkeit und Ignoranz fast zusammenbrechen. Aber evtl. freut sich ja der Eine oder Andere über solche Vertröstungen: 

•    „Die EASA wird voraussichtlich nach Anhörung einer aus Vertretern der betroffenen Akteure bestehenden Sachverständigengruppe bis Ende 2011 ihre Schlussfolgerungen zu dieser Aufgabe vorlegen.“
•    „Nach den gegenwärtig vorliegenden Informationen unterliegen die rechtlichen Implikationen der Rechtshoheit der betroffenen nationalen Behörden.“


Da es jedem europäischen Bürger freisteht, sich an seine zuständigen Behörden, Vorgesetzten, Politiker, Medien- und Gewerkschaftsvertreter zu wenden, nahm ich mein Recht in Anspruch und stellte eine persönliche Anfrage (Auszüge)an Commissioner Siim Kallas. Hier nun Auszüge daraus: 

An die:
European Commission
Commissioner Siim Kallas

Vice-President - Transport
200 Rue de la Loi
Berlaymont
B-1049 BRUSSELS
By e-mail: CAB-KALLAS-WEB-FEEDBACK [at] ec.europa.eu

Betreff: Offener Brief an die Europäische Kommission / Herr Siim Kallas - Gesundheitsgefährdung durch Zapfluft in Flugzeugkabinen

Sehr geehrtes Mitglied der Europäischen Kommission (Transport),
Sehr geehrter Herr Siim Kallas,

mit Entsetzen musste ich soeben Ihre Antwort auf die Anfrage: "E-3044/10 von Michael Cramer (Verts/ALE) an die Kommission" zur Kenntnis nehmen.

Ich bedauere es sehr, dass scheinbar Menschenleben und die Gesundheit jedes Einzelnen, egal ob Passagier, Pilot oder Flugbegleiter, nicht von ausreichend Wert gekrönt zu sein scheint, um unmittelbare Verbesserungen und Lösungen für mehr Schutz des Individuums zu gewährleisten.
Bedenken Sie bitte bei Ihren Überlegungen auch, dass sich weltweit und täglich an zahlreiche Toxikologen, Umweltmediziner und Selbsthilfepersonen neue Giftopfer durch den Flugbetrieb wenden. Hierfür gibt es genügend Belege, Befunde und Zeitzeugen.

Jeder Tag und jeder Flug in gifthaltiger Luft, der vergeht, lässt weitere Giftgeschädigte zu!

Meine Fragen an Sie (Her Kallas):

1.) Wollen Sie mir / uns (Abertausenden von Flugbetriebsgeschädigten) wirklich plausibel machen, dass Sie nicht genügend Beweise, für die Vergiftungsrisiken und den daraus resultierenden Gesundheitsschädigungen an Bord von Flugzeugen, haben?
2.) Ist es von Ihrer Seite her ernst gemeint, dass Sie der Ansicht sind, dass es noch weiterer Studien bedarf? Dies ist keineswegs der Fall und höchstenfalls eine übliche und geschickte Ablenkung von den harten und tatsächlichen Fakten. Wenn ja, teilen Sie mir bitte mit, in welcher Form Sie die unzähligen Beweise für die Giftkonzentrationen an Bord haben möchten und ob Sie noch weitere Studien & Publikationen dazu wünschen.
3.) Sind Ihnen etwas die BALPA-Konferenz-Ergebnisse nicht bekannt?
Die Expertenkommission hat ein eindeutiges Arbeitsplatzproblem aufgrund von Schadstoffen an Bord von Flugzeugen festgestellt und unmissverständliche Empfehlungen für ein adequates Handeln ausgesprochen.
5.) Kennen Sie etwa noch nicht die beweisführende Studie zur Pestizidbelastung von Flugpersonal (Professor H. Müller-Mohnssen / Ende 90`ziger)?
Zwar geht es bei dieser Studie um Pestizide und nicht um TCP oder andere toxische Substanzen, aber ich erinnere Sie daran, dass die Gift-Gefahren schon Ende der 90`ziger Jahre bekannt waren und die Tausenden von Geschädigten nicht „wegargumentierbar“ sind. Die Schnittstelle findet sich in dem Zusammenhang in der Form, dass es sich auch hierbei um vermeintlich neurotoxische und kanzerogene Gifte handelt.
6.) Welche Maßnahmen wurden seitens der europäischen Kommission, der Flugzeughersteller und Fluglinien bisher zum Schutze der Passagiere unternommen?
7.) Warum werden keine Aerosol/Gift-Detektoren eingesetzt?
8.) Warum stellt man nicht sofort die Pestizidsprühungen an Bord von Flugzeugen ein und ersetzt sie gegen unschädliche Stoffe wie z.B: Neem-Baum-Produkte?
9.) Warum verpflichtet man noch immer nicht die Airlines zur Information ihrer Passagiere und Mitarbeiter oder / und lässt bis zur Umsetzung von angepassten Maßnahmen filterfähige Aktivkohleatemmasken austeilen?
10.) Bei Produktrückrufaktionen zählen nur einzelne Schadensfälle. Warum lassen Sie bei der Masse von Giftgeschädigten, Empfehlungen (siehe BALPA-Ergebnisse) und Fakten nicht sofortige Maßnahmen einleiten?

Mächtige Industriezweige mögen zwar so groß erscheinen, aber was ist diese Größe gegenüber einem Ihnen nahestehenden Menschen, der schon morgen der nächste Giftgeschädigte sein könnte?


Ich mag Sie an dieser Stelle daran erinnern, dass Sie nicht nur eine Verantwortung an dieser Stelle tragen, sondern auch eine Pflicht!

Sie haben zugegeben, dass Sie von den Gesundheitsgefahren Kenntnis haben. Aus dieser Tatsache allein heraus ergibt sich für Sie (gesamte europäische Kommission) die Pflicht, von den europäischen Bürgern, nach bestem Wissen und Gewissen, Schaden abzuwenden. Das heißt, dass Sie demnach die vorhandenen Studien und die wissenschaftlich-toxikologischen Fakten nicht nur kennen, sondern auch bei Ihren Bewertungen berücksichtigen müssen. Demnach werden Sie nicht vermeiden können, dass Ihr "Mitwissen" Sie zum Handeln, d.h. zur sofortigen Verbesserung der Kabinenluft an Bord von europäisch eingesetztem Fluggerät verpflichtet. Mitwissen, ohne zu Handeln, entspräche einer Missachtung der Ihnen zugeteilten Rechte und Pflichten. - Ende Anfrage 

Wie erklären wir diese Missstände bloß nur alle denen, - der Michaela, dem Rolf, der Beate, der Britta, dem Paul, der Daniela, der Marion, dem Michael, der Anna, der Antje, dem Klaus, der Dagmar, dem Peter, dem… - , die täglich und weltweit um Hilfe betteln müssen und vor lauter Schmerzen, Schwindel, Aggression, Depression, Sprach- und Wortfindungsstörungen, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Lähmung, Hirnleistungsschwäche, chronischer Hirn- und Nervenentzündungen, Erbrechen und Durchfällen (u. A.) kaum noch ihren Alltag, geschweige denn Arbeitsablauf bewältigt bekommen?

Ob es doch ein Happy-End geben wird? Jeder entscheidet täglich mit! Attention!

Hier nun die aktuelle Antwort der Europäischen Komission an mich als PDF-Datei: pdf 352 KB

Links & Quellen:
[1] „Gesundheitsgefährdung durch Zapfluft in Flugzeugkabinen.“ ^

[2] Antwort E-3044/10DE Herr Kallas „im Namen der Kommission“ vom 11. Juni 2010 ^

Kontaminierte Kabinenluft“ aus der Sicht von Umweltmedizinern: „Sick-Aeroplane-Syndrome“ – so könnte man eine weitere Multisystemerkrankung mit umwelt- und arbeitsmedizinischer Relevanz bezeichnen“ ^

Kommission bagatellisiert Krebsgefahr in Flugzeugen vom 29.06.2010:
„Trotz medizinischer Belege zur Gefahr krebserregender Stoffe in der Kabinenluft, schieben sich Kommission und Mitgliedsstaaten gegenseitig den 'Schwarzen Peter' zu“ ^