Kinderkrebs um Atomkraftwerke und Deckmäntelchen

Freitag, den 03. Oktober 2008 um 09:17 Uhr Aida Infante
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Auf dem Symposion „Umweltmedizin: Evidenz – Kontroverse – Konsequenz“ der Gesellschaft für Strahlenschutz und des Instituts für Humangenetik der Charite Berlin wurde wieder über die Kikk-Studie (Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken) des Mainzer Kinderkrebsregisters diskutiert.

So wollte da Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) keine befriedigenden Antworten auf Fragen gefunden haben, die sich aus den Befunden der Kikk-Studie ergeben. Es hieß: „Auf Basis der Ergebnisse der Kikk-Studie und fehlenden plausiblen Erklärungen kann Eltern nicht empfohlen werden, aus der Umgebung von Kernkraftwerken wegzuziehen“, so Herr Bernd Grosche vom BfS.

Die Devise lautet meines Erachtens ganz offensichtlich: "Bloß keine Panik in der Bevölkerung auslösen. Ruhe bewahren. Keinen Anlass zu Regressforderungen geben."

Dieser Devise wurde ja auch beim Bundestags - Fachgespräch (Berlin am 20. Juni 2008) gefolgt. Bei dem Gespräch zu "Wenn Umwelt krank macht, muss die Politik handeln" stellte ein Mitglied des selbigen Amtes die Behauptung auf, dass Krebs statt mit Umweltfaktoren wohl eher mit Alterung zu hätte. Die zahlreichen Studien, die z. B. Krebs im Zusammenhang mit Schwermetall- und Strahlenbelastung stellen, werden nicht nur sukzessive unter den Tisch gekehrt  (in internen Datenbanken gebunkert), sondern auch durch "Gutachten und künstlichen Kontroversen am Fließband" heruntergespielt.

Wohin soll das führen?
Gibt es etwa doch einen weiteren Planeten zum Auswandern?
Ist die "Wunderpille gegen Eigenzerstörung" etwa schon auf dem Markt?
Haben die Menschen auf der Seite "money and profit over life" vielleicht keine Nachkommen oder Gewissen?

Passend zur "Beschwichtigungsstrategie" hieß es auf dem Symposium, dass es für eine Grenzwertsenkung noch einer "wissenschaftlichen" Grundlage bedürfe.

Was hat das noch mit Wissenschaft zu tun, wenn in erster Linie die Interessen in Bezug auf Wirtschaftswachstum gefördert werden und nicht die Gesundheit der Erdenbewohner. Irgendwann muss doch mal gut sein.

Obwohl sich im Frühjahr 2008 der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW und eine Initiative von Pädiatern dafür eingesetzt hatten, dass weitere Kinderkrebserkrankungen im Umfeld von Atomkraftwerken verhindert werden (z. B. DÄ, Heft 20, 2008) und die Ergebnisse der Kikk-Studie (Erhöhung des Krebs- und Leukämierisikos von Kindern unter fünf Jahren in unmittelbarer Nähe von Atomkraftwerken) eindeutige Nachweise erbrachten, will die Leiterin der Kikk-Studie, Frau Maria Blettner, keinen kausalen Zusammenhang zwischen den Krebserkrankungen und den Emissionen der Kernkraftwerke gesehen haben. Die errechnete Strahlenbelastung sei zu gering um die Erkrankungen auszulösen, betonte sie in der Vergangenheit bereits mehrfach.

Symposiumteilnehmer stellten "Gott sei Dank" klar, dass eine Induktion von Leukämie bereits über die Eltern weitergegeben werden kann und dass Gesundheitsrisiken auch schon durch niedrige Strahlendosen ausgelöst werden können.

Die im Rahmen der Kikk-Studie erforschte Zunahme von Krebsfällen war auf eine hohe Ingestion von Radionukliden in der Umgebung von Atomkraftwerken zurückgeführt worden (Chemiker Ian Fairlie aus London).

Dass genetische Polymorphismen (rund 50 % der Bewohner industrialisierter Länder haben bereits eine eingeschränkte Entgiftungskapazität) und Kombinationswirkungen eine Rolle für die Auslösung einer schadstoffinduzierten Erkrankung spielen, hätte durchaus mit berücksichtigt werden können - die ganzheitliche Betrachtung des humanen Organismus ganz außer Acht gelassen.

Der Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz, Sebastian Pflugbeil, war der Meinung, dass die Befunde der Kikk-Studie ernst genommen werden müssten. Er forderte politische Entscheidungsträger auf, das Jahrzehntealte Prinzip der Vorsorge endlich praktisch umzusetzen und appellierte auch an Wissenschaftler, nicht weiterhin halbrichtige Darstellungen und falsche Schlussfolgerungen zu suggerieren.

Der Abschlussbericht der Strahlenschutz-Kommission zur Kikk-Studie wird am 9. Oktober 2008 vorgestellt werden.

Die Hoffnung stirbt immer zuletzt und so bleibt weiterhin zu hoffen, dass nicht nur das Vorsorgeprinzip zur praktischen Anwendung kommt, sondern die Beweislastumkehr umgesetzt wird. Das Prinzip "immer auf die Kleinen" ist weitaus mehr als Ignoranz, Habgier und Menschenverachtung.